15.11.2021
Liebe Mitglieder,
verehrte Leserinnen und Leser,
was sagt Ihnen eher zu? Kreatives Chaos oder immer der gleiche Trott? Das frage ich mich besonders an jedem Montagmorgen, wenn der gleiche Trott wieder losgeht. Ich meine damit nicht die Fahrt ins Büro, sondern die tägliche Arbeitsroutine. Nun ist unser durch gesetzliche Vorschriften sehr begrenzte Beruf nicht das Spielfeld für Kreativität, sagen Sie und das ist natürlich auch richtig. Täglicher Trott kann helfen, Fehler zu vermeiden. Ich denke da besonders an die tägliche Fristenkontrolle, die jeden Morgen meine erste Handlung ist. Da gibt es nichts zu rütteln. Aber wie ist es in den anderen Bereichen des Berufsalltags – der tägliche Schriftsatz, die Überlegungen in der Zwangsvollstreckung (wie man den Schuldner vielleicht doch noch „drankriegt“), die knifflige Lösung in einer Urkunde, im Büromanagement? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Derjenige macht also auch keine Fehler, richtig? Natürlich will niemand Fehler machen, denn erstens, wer will diese eingestehen, und zweitens, wer will sich schon über sich selbst ärgern?
Aber genau hier liegt das Potential. Denn sich einen Fehler einzugestehen und genau zu untersuchen, an welcher Stelle des Arbeitsprozesses er geschehen ist, bringt ans Licht, über welche Arbeitsschritte Sie bisher vielleicht nie nachgedacht haben. Sie haben sie einfach gemacht. Mit der Fehlereinsicht kontrollieren Sie in der Regel die Ursache und nur diese Kenntnis kann den Fehler beseitigen und im besten Fall den Arbeitsprozess optimieren. Sie verlassen die Ebene der meist unbewussten Handlungen, die Sie wegen Ihrer Erfahrungswerte gar nicht mehr überdenken. Durch die Fehleranalyse verändern Sie den Blick auf die Dinge, kontrollieren Ihr Wissen, erweitern Ihren Horizont und finden im Idealfall die bessere, wenn nicht sogar die perfekte Lösung. Der gleiche Trott ist die sichere Bank, der Fehler bedeutet erst einmal Ärger. Aber bedeutet immer nur fehlerfrei zu arbeiten nicht auch, hinter seinen Möglichkeiten zu bleiben? Ich will jetzt nicht sagen, dass ich mich auf meinen nächsten Fehler freue, aber er könnte wieder eine Chance sein, es besser zu machen.
Und denken Sie an diese Überlegungen, wenn Sie sich über die Fehler der Kollegen ärgern, seien Sie gnädig.
Marlies Stern für
Deutsche Vereinigung der Rechtsanwalts- und Notariatsangestellten e.V.
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