Archiv Kolummne

Liebe Mitglieder,
verehrte Leserinnen und Leser,

das Homeoffice hat mehrere Seiten, das musste ich jetzt erfahren, denn mein Chef spielt ja auch noch mit. Ich sitze also zu Hause und er im Büro, das sich jetzt zum Ende unserer Karrieren bei ihm zu Hause befindet. Also Homeoffice 2.0.

Mein Chef hat sich nie um irgendwelchen technischen Kram gekümmert, ich war ehrlich gesagt sehr erstaunt, dass er das damals mit seinem ersten Handy hinbekommen hat. Um Computer, Faxgeräte und Scanner hat er sich während all der Jahre nie gekümmert, er hatte ja alle seine Angestellten um sich, die ihm immer alles gerichtet haben. Aber jetzt dreht er auf. Wenn ich tatsächlich mal ins Büro fahre, dann ist jeder Besuch immer mit Nachhilfeunterricht verbunden, z.B. wo liegt die Textseite beim Faxen und Scannen – er versteht nur schwer, dass ihn das Vögelchen ansieht, heißt, der Text liegt oben. Er findet einfach jedes Mal neue Funktionen in der neuen Telefonanlage, die wir nicht benötigen. E-Mails macht er nicht auf, er löscht sie erst einmal. Und dann der Drucker, ich weiß nicht, warum er nicht einfach wie jeder auf das Druckersymbol drückt, sondern mit mir Diskussionen anfängt, das Symbol könne man nicht als solches erkennen, da könne er doch nichts dafür.

Ich bin ehrlich gesagt froh, wenn er mich im zehnminütigen Takt anruft und Tesafilm, Kugelschreiberminen oder Briefmarken sucht. Obwohl ich alles mehr als geordnet habe, das gesamte Büromaterial in viele Kisten mit Etiketten gesteckt habe, er findet nichts, und wenn, dann muss ich alles wieder aufräumen, wenn ich einen Tag im Büro einlege. Ich nutze jetzt also die vielgepriesene Geduld mit Einsamen, das Mitgefühl mit Hilflosen und die allgemein angesagte Solidarität, alles entstanden während der Corona-Quarantäne, um bei Laune zu bleiben und den Büroalltag aus meinem Wohnzimmer zu managen.

Das Einzige, das klappt, ist sein Schachspiel im Computer, das kann er super.

Marlies Stern für
Dt. Vereinigung der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten e.V.

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