Archiv Kolummne

Liebe Mitglieder,
verehrte Leserinnen und Leser,

angefangen hat es damit, dass die Kollegin plötzlich morgens ihren Schreibtisch begrüßte und sich abends von ihm auch verabschiedete, so mit „Tschüß Schreibtisch“. Dann fing sie an, ihren Schreibtisch aufzuräumen. Als ich mal freundlich nachfragte, welche Gründe sie für ihr Verhalten habe, kam die Gegenfrage, aber Sie spüren doch auch ein wunderbares neues Feeling, oder? Jaaaa, aber warum fühle ich das? Na Feng Shui, sagt die Kollegin, sie richte sich jetzt auch während der Arbeit nach der alten chinesischen Harmonielehre. Ich war erst einmal erleichtert.

Also kam der nächste Schritt, der Schreibtisch der Kollegin musste verstellt werden, sie brauchte die Nähe des Fensters, was auch den beiden anderen Mitarbeiterinnen im Raum eine große Portion Harmonie abverlangte, und mit viel Mediation wurden die Tische dann gerückt und die Kollegin fühlte gleich für uns alle mehr Harmonie. Gleichzeitig wurde der Schreibtisch umgeräumt, erst verschwanden alle Akten, dafür lag jetzt ein Lifestyle Magazin da, es standen Blumen auf dem Tisch, auf dem neuen Mousepad strahlte Buddha mit Gelassenheit in die Runde. Ich begann mich zu fragen, wann bitte sehr arbeitet die Gute denn noch, vor lauter Himmel und Erde beobachten? Die Kollegin erklärte mir darauf, sie könne nur noch arbeiten, wenn ihr Schreibtisch Harmonie ausstrahle und sich die Harmonie auch in ihrer Arbeit niederschlagen könne.

Es kam, wie es kommen musste, irgendwann überlebt Feng Shui das Anwaltsbüroleben nicht. Der Kollege aus der Registratur kam und wuchtete ohne Kenntnis der schwer erkämpften Harmonie einen Haufen Vollstreckungsakten auf Kalender und Magazine, zwischen Bilder und Blumen. Der Kollegin blieben die Geister der Luft und des Wassers nicht gewogen, Vollstreckung kam bei ihnen nicht vor. Auf dem Schreibtisch kämpfen eine Blume und ein Bild mit dem verbliebenen Platz. Die Harmonie geht so.

Marlies Stern für
Dt. Vereinigung der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten e. V.

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