Reaktion der RAK M-V auf unseren Rundbrief zum Fachkräftemangel vom Oktober 2016
Der Ausschuss für Arbeitsbedingungen des Bundesvorstandes hatte im Frühjahr 2016 auf seiner Bundesversammlung den Entwurf eines Rundbriefes für die Orts- bzw. Landesverbände an die örtlichen Rechtsanwaltskammern zum Thema „Fachkräftemangel“ vorgestellt. Diesen Rundbrief haben wir modifiziert und stark erweitert bezogen auf die örtlichen Bedingungen im Oktober 2016 an die Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern gesandt. Wir stellten Fragen: Werden Rechtsanwaltsfachangestellte überhaupt noch gebraucht? Werden wir nur noch als unnützer Kostenfaktor angesehen? Wissen Anwält*innen überhaupt um unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Anwaltschaft bei ihrer juristischen Arbeit zu entlasten und das betriebswirtschaftliche Fortkommen der Kanzleien zu fördern? Wir wiesen darauf hin, dass im Zuge der „Wende“ viele Arbeitskräfte aus Fremdberufen jeder Art zu Rechtsanwaltsfachangestellten umgeschult, kostenlos in Kanzleipraktika eingesetzt und später billig vom Arbeitsmarkt als Fachkräfte übernommen werden konnten. Stets waren günstige Kolleg*innen verfügbar – vor dem Mindestlohn für Bruttogehälter von 900 bis 1300 € bei 40 Arbeitsstunden je Woche und mehr-, so dass das Thema „Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten“ sich kaum stellte. Die Anwaltskanzleien schöpften aus dem Umschulungspool oder griffen auf jene Fachangestellten zurück, die über Bedarf in anderen Kanzleien ausgebildet wurden. Jahr für Jahr wurden und werden weniger Ausbildungsplätze angeboten, Jahr für Jahr werden auf Grund der oft viel zu geringen Ausbildungsvergütung und der im Berufsleben erzielbaren Gehälter weniger Ausbildungsplätze besetzt.
Wir wiesen auch darauf hin, dass mit der Einführung des Mindestlohns zum 01.01.2015 bei den Fachangestellten ein Nachdenken einsetzte: „Warum erhalte ich mit meiner hervorragenden Ausbildung lediglich ein Gehalt, das eigentlich für Ungelernte oder Geringqualifizierte vorgesehen ist?“ Und wir erklärten, dass wegen der mangelnden finanziellen Wertschätzung nun auch die letzten guten Fachkräfte die Kanzleien in Mecklenburg-Vorpommern verlassen, entweder in andere Branchen oder zumindest in andere Bundesländer wechseln, in denen ihr Fertigkeiten geschätzt und gern genommen werden.
Die direkte Antwort im Februar 2017 an uns fiel – vorsichtig gesagt – lapidar
aus. http://www.brak-mitteilungen.de/media/BRAKMagazin_2017_03.pdf
Die Ausbildungszahlen 2016 wären gegenüber 2015 nicht signifikant gesunken, man habe ja die Ausbildungsvergütung gerade angehoben im Jahr 2015 (von damals 255 € im ersten Lehrjahr auf 400 €) und überhaupt könne man kaum Einfluss auf die Mitglieder nehmen. Für die Annahme, dass Anwaltskanzleien künftig auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Rechtsanwaltsfachangestellten verzichten wollten und könnten, bestünden keine Anhaltspunkte. Und schlussendlich bestimme der Markt den Preis.
Nunmehr haben wir im BRAK-Magazin 3/2017 im Juni 2017 eine etwas nachdenklichere indirekte Antwort auf unser oben genanntes Schreiben lesen dürfen. Der Präsident der RAK M-V schreibt, er habe vor einigen Monaten ein Schreiben von einer „Rechtsanwaltsfachangestellten, die sich ebenso wie wir ehrenamtlich für ihren Berufsstand engagiert“ erhalten. „Sie wirft elementare Fragen auf: Ist die Anwaltschaft noch an der Ausbildung von Fachangestellten interessiert? Wie viele Anwälte beschäftigen noch Fachangestellte? Wissen sie überhaupt, was ReFas in ihrer Berufsausbildung lernen und wie sie die Kanzleiinhaber nicht nur organisatorisch sondern auch betriebswirtschaftlich unterstützen können?
Zugespitzt: Werden ReFas nur noch als unnützer Kostenfaktor betrachtet?“
Wie schon wir in unserem Schreiben greift er die Umstände der Umschulung und Ausbildung bis in die 2000er Jahre auf. Rechtsanwalt Graßhoff als Präsident der RAK M-V weist darauf hin, dass Jugendliche keinen Job, sondern eine Zukunft suchen, die sie derzeit in Anwaltskanzleien in Mecklenburg-Vorpommern nicht finden können: Sei es wegen der geringen Ausbildungsvergütung, der später erzielbaren Gehälter oder der Qualifizierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten.
Der Kammerpräsident weist darauf hin, dass Rechtsanwaltsfachangestellte/r einer der anspruchsvollsten Ausbildungsberufe überhaupt sei. Und er ruft die Anwaltschaft eindringlich auf, wieder mehr junge Menschen für den Beruf zu begeistern und fordert nachdrücklich zu einem Umdenken auf. Er sieht sowohl Nachholbedarf bei den finanziellen Konditionen als auch bei der Qualität der Ausbildung.
„Nur wenn beide Seiten diese Herausforderungen annehmen, kann die Anwaltschaft auch in Zukunft auf die unverzichtbare Unterstützung der Fachangestellten in den Kanzleien zurückgreifen.“
Nach Auskunft des Kammerpräsidenten in seinem Beitrag im BRAK-Magazin konnten bislang (Stand Juni 2017) lediglich 10 der rund 60 ausgeschriebenen Ausbildungsplätze vergeben werden. Das bedeutet, dass mit Ausbildungsstart vermutlich nicht mal eine volle Berufsschulklasse zusammengestellt werden kann. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Die Schulabgänger*innen bestimmen ab sofort den Preis.
Wir bedanken uns für die Aufmerksamkeit, auch wenn wir nicht (erneut) direkt kontaktiert worden sind. Wir bedanken uns auch für die sehr nachdenklichen Ausführungen und den Aufruf an die Anwaltschaft. Wir hoffen, dass wir gemeinsam in der Lage sein werden, den Beruf der/s Rechtsanwaltsfachangestellten wieder attraktiv zu gestalten und die Ausbildung in Mecklenburg-Vorpommern noch zu retten. Gern beteiligen wir uns daran.
Jana Gelbe-Haußen
für RENO M-V e. V.
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